Veranstaltung: | 60. Landesversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen am 7.12.2024 in Chemnitz |
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Tagesordnungspunkt: | 14. Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesversammlung |
Beschlossen am: | 07.12.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Bildungszugang und Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder und Jugendlichen in Sachsen sicherstellen – Diskriminierung von Menschen mit Migrationsbiografie verhindern
Beschlusstext
Die aktuellen Herausforderungen im sächsischen Bildungssystem – wie der
Lehrkräftemangel, die marode Infrastruktur und der Mangel an Schulplätzen –
führen dazu, dass das Grundrecht auf Bildung für viele Kinder und Jugendliche in
Sachsen nicht umgesetzt wird. Stand 12.11.2024 warten laut Angaben des
Landesamtes für Schule und Bildung 2012 Kinder und Jugendliche auf einen
Schulplatz in Sachsen. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche mit
Fluchthintergrund, die oft monatelang und in manchen Fällen sogar über ein Jahr
auf einen Schulplatz warten müssen und somit von Bildung und sozialer Teilhabe
ausgeschlossen bleiben. Diese systematische Benachteiligung verletzt nicht nur
das Recht auf Bildung, sondern wirkt sich nachteilig auf die gesamte
Gesellschaft aus, da die Integration und Förderung aller jungen Menschen
essentiell für das gesellschaftliche Zusammenleben sind.
Schuldzuweisungen an ohnehin benachteiligte Gruppen
fördern Diskriminierung und verstellen den Blick auf strukturelle Lösungen
. Unser Ziel ist eine umfassende, diskriminierungsfreie Reform des
Bildungssystems, die auf gemeinsame und konstruktive Lösungen setzt, um
Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit für alle zu gewährleisten.
Vor diesem Hintergrund fordern wir BÜNDNISGRÜNE konkrete und sofortige Maßnahmen
zur Beseitigung der Schulplatznot und zur Förderung eines diskriminierungsfreien
Bildungszugangs.
Recht auf Bildung und Schulplatzgarantie umsetzen: Die sächsische
Staatsregierung wird aufgefordert, das Grundrecht auf Bildung und die
Schulpflicht für alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer
Herkunft, binnen maximal 3 Monaten nach kommunaler Wohnsitznahme
sicherzustellen. Dazu gehört, dass jedem schulpflichtigen Kind und
Jugendlichen unverzüglich ein geeigneter Platz im Regelschulsystem zur
Verfügung gestellt wird. Jede verzögerte Bereitstellung muss konsequent
erfasst werden und zu direkten Maßnahmen führen, um zukünftige verzögerte
Schulplatzzuweisungen zu vermeiden. Bildungsgerechtigkeit und das Ziel
optimaler Integrationschancen dulden keinen Aufschub.
Akute Schulplatzlücke schließen und Infrastruktur verbessern: Um die
aktuelle Schulplatznot nachhaltig zu lösen, sollen bedarfsgerecht
zusätzliche Schulplätze geschaffen werden. Die dafür nötige Bereitstellung
von Schulräumen und Schulhäusern ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen und
daher unabhängig von der Kassenlage zu erfüllen. Es ist die Aufgabe des
Freistaats, die Kommunen finanziell in die Lage zu versetzen, dies zu
leisten.
Wahlfreiheit und Bildungschancen von Schüler*innen mit
Migrationsgeschichte sind gleichwertig. Bei Schulen und Schulformen mit
bisher niedrigem Anteil an Schüler*innen mit Migrationsgeschichte sollen
dafür die Potenziale an Vorbereitungsklassen ausgeschöpft werden.
Mittelfristig ist der Freistaat in der Pflicht, die Klassenbildung so zu
gestalten, dass sie der unterjährigen Migration aus dem In- und Ausland
gerecht wird. Dabei ist insbesondere sicherzustellen, dass Kinder und
Jugendliche nicht aufgrund ihrer Herkunft durch überlange Schulwege oder
unpassende Schulformen benachteiligt werden.
Ausreichend qualifiziertes Lehrpersonal sichern: Die Staatsregierung wird
aufgefordert, alle Maßnahmen zu ergreifen, welche die Ausstattung mit
pädagogischen Fachkräften sowie die Attraktivität des Lehrer*innenberufs
verbessern. Es sind insbesondere Verfahren zur Anerkennung ausländischer
Lehramtsabschlüsse zu beschleunigen und Programme für den Seiten- und
Quereinstieg für pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte aus dem Ausland
auszubauen. Es müssen Anreize geschaffen und verstärkt werden, damit
Lehrkräfte aus anderen Tätigkeits- und Berufsfeldern an die Schulen
zurückkehren. Zusätzlich soll weiteres unterstützendes Personal für
Verwaltungsaufgaben an Schulen eingestellt werden.
Offensive für eine migrationsspezifische Lehrkräftefortbildung starten:
Damit Schule in der Migrationsgesellschaft funktioniert, fordern wir eine
verpflichtende Fortbildung für alle Lehrkräfte im Bereich „Deutsch als
Zweitsprache“ sowie in Migrationspädagogik. Für die Lehramtsstudienfächer
fordern wir die Hochschulen auf, diese Kompetenzen stärker in den
Studienordnungen zu verankern.Ziel ist es, Schulen zu Orten der
Integration und der Chancengleichheit für alle zu machen, den Übergang aus
den Vorbereitungsklassen in den regulären Unterricht zu beschleunigen und
die Erfüllung der integrationsspezifischen Aufgaben gleichmäßiger zu
verteilen.
Diskriminierungsfreier Bildungsdiskurs und Schutz vor struktureller
Benachteiligung: Die sächsische Staatsregierung wird aufgefordert, in der
Bildungspolitik einen diskriminierungsfreien Diskurs zu fördern, der frei
von Schuldzuweisungen und problematischen Zuschreibungen ist.Um dies zu gewährleisten, sollen bestehende Schutzkonzepte an
Schulen um verbindliche Maßnahmen zum Diskriminierungs- und
Rassismusschutz erweitert werden. Diese Konzepte müssen alle Formen
von Gewalt adressieren, einschließlich rassistischer
Diskriminierung, die sich psychisch, physisch oder auf andere Weise
äußern kann.Das Sächsische Schulgesetz soll um ein explizites
Diskriminierungsverbot ergänzt und durch ein landesweites
Antidiskriminierungskonzept flankiert werden. Ergänzend dazu sind
niedrigschwellige Beschwerdestrukturen und Anlaufstellen für
Diskriminierungsfälle an Schulen einzurichten.Das Ziel ist es, ein Schulumfeld zu schaffen, in dem alle Kinder und
Jugendlichen unabhängig von Herkunft, sozialem Hintergrund oder
anderen diskriminierungsrelevanten Merkmalen gleichberechtigt und
respektvoll lernen können. Nur so können Bildungsgerechtigkeit und
Chancengleichheit für alle verwirklicht werden.